50 Jahre soziale Meilensteine

Die Gesellschaft steht niemals still. Auch im sozialen Bereich hat sich viel getan. Oft genug konnte die SozialstiftungNRW mit Modellprojekten dazu beitragen, dass das Denken und Handeln sich weiterentwickelt, dass neue Konzepte erprobt wurden und erfolgreich Erprobtes im Alltag als Standard etabliert wurde. Wir verstehen uns seit 50 Jahren als Motor für den sozialen Fortschritt – auch im Rückblick schauen wir darum vor allem auf die Zukunft.

1974 ff.

Stationäre Altenhilfe: Aus Krankenhaus wird mehr Altenheim

Die erste Generation der Altenheime aus den 60er und frühen 70ern entstand häufig durch den Umbau von kleinen Krankenhäusern oder den Neubau riesiger Komplexe. Das Ergebnis sind Gebäude, die mit langen Fluren und kleinen Zimmern für mehrere Bewohnerinnen und Bewohner krankenhausartig bleiben – also nicht für längere Aufenthalte ausgelegt sind. Dabei haben damals nicht selten Menschen dort über Jahre gewohnt und gelebt.

Die SozialstiftungNRW fördert von Anfang an Modell-Maßnahmen, die mehr Privatsphäre schaffen. Wo vorher oftmals kein abgetrenntes Badezimmer vorhanden ist, sondern nur ein Waschbecken mit Vorhang, entstehen eigene Bäder für jedes Zimmer oder zumindest für zwei Zimmer zusammen.

Frühförderung: Eine Erfolgsgeschichte von Anfang an

Quasi zeitgleich mit der SozialstiftungNRW entstehen vermehrt in Nordrhein-Westfalen erste Initiativen für Eltern, deren Kinder Entwicklungsverzögerungen oder eventuell eine Behinderung haben. Die Kinder und ihre Familien sollen möglichst früh und möglichst ganzheitlich unterstützt werden.

Daraus entwickelt sich im Laufe der Jahre der neuartige Ansatz der Frühförderung. Pädagogische, heilpädagogische, ärztliche und medizinisch-therapeutische Maßnahmen für Kinder mit Behinderung werden in einer Hand gebündelt und dadurch optimal aufeinander abgestimmt. Dafür werden interdisziplinäre oder heilpädagogische Frühförderstellen aufgebaut, die mit Kindergärten und anderen Partnern kooperieren.

Die SozialstiftungNRW unterstützt diesen neuen Ansatz von den ersten Schritten an und ist bis heute ganz vorne mit dabei, wenn es um Weiterentwicklungen geht. Immer wieder erarbeiten und setzen Modellprojekte neue Standards.

Bis 2012 entstanden 156 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die Leistungen der Frühförderung anbieten. In 56 davon wurden Eltern schon damals durch die Frühförderung entlastet, bei der inzwischen eine Verordnung für alle notwendigen Maßnahmen ausreicht und die Leistungen optimal koordiniert werden.

1984 ff.

Stationäre Altenhilfe: Die Gruppe wird weiter gestärkt.

In den Altenheimen rücken die Bedürfnisse der alten und pflegebedürftigen Menschen weiter in den Mittelpunkt – einzeln und in der Gruppe. Wo vorher keine gemeinsamen Räume vorgesehen waren, entstehen nun Gruppen aus 10 Zimmern mit eigenem Bad, deren Bewohnerinnen und Bewohner sich in Gruppenräumen treffen und ihre Zeit gemeinsam gestalten können.

Verschiedene Modellprojekte widmen sich speziell einzelnen Themen, die vorher noch nicht berücksichtigt waren. So wird beispielsweise erprobt, welche Möglichkeiten es zur Intervention und Fortbildung bei Traumata gibt. Andere Modellprojekte erproben, wie über Mitwirkung – z B. an einem Lokalradio – die Medienrepräsentanz und -kompetenz von älteren Menschen gestärkt wird.

1994 ff.

Das Wohnen wird kleinteiliger, selbstbestimmter und dezentraler

Die Dezentralisierung in der Eingliederungshilfe und die dort erfolgten Entwicklungsschritte - über die Öffnung und Dezentralisierung von Komplexeinrichtungen bis hin zu selbstbestimmtem Wohnen - haben in den vergangenen 50 Jahren die Stiftungsarbeit begleitet und sind umgekehrt auch eng von der SozialstiftungNRW begleitet worden.

Schon vor der Gründung der Stiftung brachen Elterninitiativen und die Enquête-Kommission zur Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland das scheinbar bewährte System der Großeinrichtungen auf. Die ersten Schritte waren von dem klaren Bewusstsein geprägt, dass eine dezentrale, wohnortnahe Versorgung den Menschen viel besser gerecht wird als die anonymen Großstrukturen. Mit jedem Jahrzehnt setzte sich diese Haltung in immer größerer Breite durch. Die SozialstiftungNRW förderte von Anfang an die Einrichtung von Wohnplätzen und die wissenschaftliche Untersuchung der Frage, wie sich Unterbringung, Konzepte und Organisationsformen auf die Bewohnerinnen und Bewohner auswirken.

In den frühen 2000er Jahren übernehmen mit der „Hochzonung“ die Landschaftsverbände die Verantwortung und die Kosten für das ambulante Wohnen. Damit endet das Wachstum der stationären Plätze. Die SozialstiftungNRW steigt 2013 aus der Förderung großer Einrichtungen vollständig aus und fokussiert ihre Förderung auf Modellprojekte zu Wohnwünschen und Wohnsettings. Wohngruppen mit 6 oder 8 Menschen werden zum Maßstab für das Wohnen nach den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner. Mit 40 bis 60 Förderungen pro Jahr treibt die Stiftung die Entwicklung weiter voran – dazu gehören auch Wohngemeinschaften und Außenwohngruppen. 75 % der geförderten Einrichtungen haben weniger als 20 Plätze. Aus diesen Zahlen spricht, wie erfolgreich sich dezentrale Konzepte etablieren konnten.

2004 ff.

Demenz – neue Antworten auf eine neue Herausforderung

Mit der Alterung der Gesellschaft stellte die wachsende Zahl demenziell erkrankter Menschen, die auf ehrenamtliche und professionelle Pflege angewiesen sind, vor neue Herausforderungen. In der 1996 eingeführten Pflegeversicherung war die Betreuung von Demenzpatienten noch gar nicht berücksichtigt, weitere Gesetzesinitiativen brachten nur punktuelle Entlastung.

Von 2002 an widmete sich die SozialstiftungNRW verstärkt dem Thema Demenz. Mit einem Modellprogramm sollte die Betreuung und Begleitung demenziell erkrankter Menschen nachhaltig verbessert werden. Dazu gehörten zum einen Hilfen, die es möglichst vielen Menschen ermöglichen sollten, trotz Demenz im vertrauten heimischen Umfeld wohnen bleiben zu können.

Foto des 30-jähriges Jubiläums im Jahr 2004 auf dem prägende Personen zu sehen sind
30-jähriges Jubiläum im Jahr 2004, Foto: Bernd Schälte

Dazu gehörten zum anderen Angebote zur Entlastung und Unterstützung von pflegenden und betreuenden Familienangehörigen. Die geförderten Maßnahmen umfassten neben Netzwerken und Wohnungen für Demenz-Erkrankte auch kleinere und ungewöhnlichere Modellprojekte. So startete mit dem „Musik-Mobil“ etwa ein musikalischer Besuchsdienst von engagierten Freiwilligen für Menschen mit Demenz in stationären und teilstationären Einrichtungen.

Hospize – von Anfang an für ein würdiges Ende

Eine Begleiterin und eine ältere Dame sitzen an einem Tisch und lachen
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Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre erreichte die Hospizbewegung auch Deutschland. Das Sterben sollte aus dem Krankenhaus herausgeholt werden, wo es oft als Störfaktor und Niederlage im Heilungsprozess aufgefasst wurde. Stattdessen sollte eine Umgebung geschaffen werden, in der Menschen unter möglichst menschlichen und würdigen Umständen sterben und von ihren Liebsten verabschiedet werden können.

Die Bewegung war in ihren Anfängen fast ausschließlich von ehrenamtlichem Engagement getragen. Nordrhein-Westfalen hat die Entwicklung in Deutschland maßgeblich mitgestaltet.

Die erste deutsche Palliativeinrichtung eröffnete 1983 an der Uni-Klinik Köln, die ersten stationären Hospize 1986 in Recklinghausen und in Aachen. Daran hatte die SozialstiftungNRW maßgeblichen Anteil. Eine der ersten deutschen Studien zu den Möglichkeiten und Anforderungen für eine gute Hospiz-Versorgung wurde mit Fördermitteln der Stiftung unterstützt. In den folgenden Jahrzehnten wurden über 40 Hospize mit insgesamt etwa 20 Mio. Euro unterstützt. Damit hat die SozialstiftungNRW maßgeblich den Aufbau der hospizlichen Versorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen geprägt.

Seit 2017 war in Nordrhein-Westfalen eine gute Versorgung mit Hospizplätzen gewährleistet, die Leistungen wurden über die Krankenversicherungen abgedeckt. Daraufhin entschied die SozialstiftungNRW, diesen Förderschwerpunkt durch einen anderen zu ersetzen.

2014 ff.

Inklusion und Zusammenhalt größer gedacht: Quartiersentwicklung

Foto der 200. Stiftungsratssitzung auf dem prägende Personen zu sehen sind
200. Stiftungsratssitzung am 30.08.2016 im Landtag NRW, Foto: Bernd Schälte
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Der demografische Wandel wirkt sich nicht nur auf den Pflegebereich aus. Er bringt auch neue Anforderungen an die sozialen Angebote in Wohnquartieren mit sich. Durch eine integrative und inklusive Gestaltung sowie neue Angebote zur Vernetzung können die Menschen verschiedener Generationen und Herkunftsgeschichten innerhalb eines Quartiers miteinander verbunden werden. Das stärkt die Teilhabe und den Zusammenhalt. Dabei geben die Eigenheiten des jeweiligen Sozialraums vor, welche Angebote am sinnvollsten sind.

In Modellprojekten wurden die Möglichkeiten der Quartiersentwicklung schon ab 2010 auf unterschiedlichen Ebenen gefördert.

Neue Konzepte zur altersgerechten Quartiersgestaltung in der Stadt und auf dem Land gehörten genauso zu den erprobten Konzepten wie der Aufbau von senioren- und behindertengerechten Quartierszentren oder die Stärkung der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements von älteren Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Seit 2014 fördert die SozialstiftungNRW nun Quartiersprojekte nach klar einheitlichen Fördergrundsätzen, die ein großes Spektrum von Themen abdecken. Dieses Spektrum reicht von Infrastrukturmaßnahmen zum Abbau von Barrieren im Quartier über den Anschub eines Quartiersmanagements bis hin zum Bau bzw. zur Ausstattung von Quartierszentren oder anderen altenspezifischen oder generationsübergreifenden Begegnungsräumen.

Wohnen selbstbestimmt noch selbstbestimmter

Im Laufe der Jahrzehnte sind die Wünsche von Menschen mit Behinderung immer stärker in den Mittelpunkt gerückt, wenn es um die Gestaltung des Wohnumfeldes geht. Wie alle anderen wollen auch diese Menschen möglichst eigenständig und unabhängig leben. In den Modellprojekten der SozialstiftungNRW ist die Beteiligung der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner ein wichtiger erster Schritt für die Planung von Um- und Neubauten. Wieder entstehen aus einer Reihe von Modellprojekten Impulse für die „Landschaft“ des Wohnens in Nordrhein-Westfalen. 

2024 ff.

Das nächste Jahrzehnt wird wieder viel verändern. Der Fachkräftemangel bringt auch die sozialen Berufsfelder, wie zum Beispiel in der Pflege und der Eingliederungshilfe nie dagewesene Herausforderungen mit sich, die neue Antworten erfordern. 

Die SozialstiftungNRW entwickelt ihre Förderprogramme so weiter, dass die Freie Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen auch die neuen Herausforderungen meistert. So hilft ein Blickwechsel in Zeiten des Fachkräftemangels zu erkennen, welch einen Mehrwert Menschen für die Gesellschaft sein können, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt als Fachkraft von morgen wirksam zu werden. Es braucht soziale Innovation, damit die Teilhabe aller Menschen auch in Zukunft gelingen kann.

Neue Kräfte für die Pflege

Damit ältere Menschen auch in Zukunft menschlich und sicher versorgt werden können, braucht es mehr Pflegekräfte und vor allem mehr gut ausgebildete Pflegekräfte.

Von der gesetzlichen Seite wurden die Pflegeberufe bereits zukunftsgerechter und attraktiver gestaltet. Jetzt muss der Rahmen für Ausbildung genauso attraktiv werden. Die umfassende Modernisierung und bessere Ausstattung von Pflegeschulen setzt ein wichtiges Zeichen, das auch die Ausbildungsqualität positiv beeinflusst. Das gilt insbesondere für die bisherigen Fachseminare für Altenpflege.

Mehrere Personen proben die Pflege und Versorgung an einer Babyattrappe, die in einem Inkubator liegt

Mit dem Umbau der Licht- und Lohnhalle in Dinslaken-Lohberg, in der nun auch eine Pflegeschule und ein Innovationszentrum Pflege ihren Platz gefunden hat, wurde ein erstes Leuchtturm-Projekt in diesem Bereich geschaffen. Hier sollen alle Beteiligten zusammengebracht werden und die Zukunft der Pflege gemeinsam gestalten.

Digitalisierung im Sinne der Menschen

Die weiter dynamisch zunehmende Digitalisierung des Alltags bedeutet auch, dass die Teilhabe älterer und behinderter Menschen heute digitaler gedacht werden muss. Gleichzeitig bieten digitale Lösungen die Möglichkeit, die Beratung und Unterstützung von Menschen zu verbessern und dabei die Fachkräfte zu entlasten. 

Die Covid-Pandemie hat auch im sozialen Bereich den Digitalisierungsbedarf innerhalb kürzester Zeit massiv erhöht. Mit dem bundesweit einzigartigen Sonderprogramm „Zugänge erhalten – Digitalisierung stärken“ hat die SozialstiftungNRW Träger und Einrichtungen in 650 Projekten dabei unterstützt, digitale Wege im Sinne der Menschen zu beschreiten. Angesichts des technologischen Fortschritts und des wachsenden Fachkräftemangels wird der Digitalisierungsbedarf auch in Zukunft größer werden. Die SozialstiftungNRW wird weiterhin ein Innovationsmotor sein.

Mehr Hilfe auf der Straße

Die große und wachsende Zahl von wohnungslosen Menschen ist durch die Engpässe im Wohnungsbau und insbesondere im sozialen Wohnungsbau leider auch ein Zukunftsthema.

Die SozialstiftungNRW hat die Unterstützung für Menschen, die keine feste Wohnung haben, schon 2020 zum Förderschwerpunkt gemacht. Zu den geförderten Projekten gehören Notschlafstellen, Wohnangebote, mobile und stationäre Sanitärangebote sowie Housing-First-Projekte.

Gesichter der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW

In den 50 Jahren ihres Bestehens war jeweils ein Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags der oder die Vorsitzende des Stiftungsrats. Diese engagierten und profilierten Sozialpolitikerinnen und -politiker haben der Stiftung landesweit ein „Gesicht“ gegeben und die Ausrichtung der Stiftungsarbeit maßgeblich geprägt.

Foto von Doris Altewischer

Doris Altewischer (CDU)
14.12.1976 – 03.08.1980

Foto: Eva Tüsselmann

Foto von Fritz Wirtz

Fritz Wirtz (SPD)
04.08.1980 – 19.08.1985

Foto: Eva Bruckhaus

Foto von Ulrich Schmidt

Ulrich Schmidt (SPD)
20.08.1985 – 18.09.1995

Foto: Bernd Schälte

Foto von Wolfram Kuschke

Wolfram Kuschke (SPD)
19.09.1995 – 31.07.1998

Foto: Bernd Schälte

Foto von Horst Vöge

Horst Vöge (SPD)
11.11.1998 – 12.09.2005

Foto: Bernd Schälte

Foto von Ursula Monheim

Ursula Monheim (CDU)
13.09.2005 – 08.11.2010

Foto: Bernd Schälte

Foto von Karl-Josef Laumann

Karl-Josef Laumann (CDU)
09.11.2010 - 10.09.2012

Foto: Bernd Schälte

Foto von Günter Garbrecht

Günter Garbrecht (SPD)
11.09.2012 – 26.09.2017

Foto: Bernd Schälte

Foto von Peter Preuß

Peter Preuß (CDU)
27.09.2017 – 26.09.2022

Foto: Bernd Schälte